DIE
KOMPENSABLE GEGENFORDERUNG
ANSPRUCHSVERNICHTENDE EINWENDUNGEN
Einleitung:
Unter bestimmten Voraussetzungen normiert § 37(4) MRG
eine aus prozessökonomischen Erwägungen getragene Möglichkeit der
Ausweitung des Außerstreitverfahrens zur Schaffung eines
Rückzahlungstitels im Sinne des § 1 EO (vgl. MietSlg 37.541).
Dem Anspruch nach § 37 (4) MRG liegt kein
selbständiges Leistungsbegehren zu Grunde, sondern handelt es sich
dabei um einen verfahrensrechtlichen Annex zu dem erhobenen
Feststellungsbegehren, über welches nicht selbständig zu entscheiden
ist. Ergibt sich keine Überbezahlung, so hat es zu keiner Abweisung
des "Leistungsbegehrens" zu kommen (vgl. MietSlg 45.508).
Ein Begehren eines Antragstellers ist nur als
Anregung an das Gericht zu verstehen, anlässlich der Feststellung
des zulässigen Hauptmietzinses von der in § 37 (4) MRG vorgesehenen
Möglichkeit Gebrauch zu machen und für die sich in diesem
Zusammenhang ergebenden Überschreitungsbeträge von Amts wegen einen
Rückzahlungstitel zu schaffen.
Grundsätzlich muss:
-
auf Feststellung und nicht selbst auf Leistung
gerichtet sein,
-
und vom Mieter als Antragsteller eingeleitet
werden.
Im Sachbeschluss muss:
-
in der Hauptsache (wenigstens zum Teil) die
teilweise Unzulässigkeit der Leistung des Mieters / Antragstellers
feststehen,
-
der Rückforderungsanspruch spruchreif sein, sodass
ein weiteres Verfahren ausgeschlossen ist,
-
der Zuspruch muss mit Willen des Mieters /
Antragstellers erfolgen, auch wenn keine formelle Antragstellung
erforderlich ist.
Liegen die Voraussetzungen, auf die unten noch näher
einzugehen ist, nicht vor, hat die Schaffung eines
Rückzahlungstitels zu unterbleiben, ohne dass es zu einer Abweisung
des Rückzahlungsbegehrens kommt. Daneben besteht die Möglichkeit,
auch im streitigen Verfahren diesen Anspruch geltend zu machen (vgl.
MietSlg 34.348). Für eine selbständige Rückforderung zu viel
bezahlter Mietzinse steht nur der streitige Rechtsweg zur Verfügung
(vgl. OGH 16.01.1996, 5 Ob 149/95).
Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 37 (4) MRG:
Dem Gesetzeswortlaut folgend haben sich aus der
Judikatur im Wesentlichen fünf zwingende Voraussetzungen für einen
Anspruch im Sinne des § 37 (4) MRG entwickelt. Die einzelnen
Voraussetzungen, welche nachstehend detailliert besprochen werden,
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Verfahren nach § 37 (1) MRG
2. Aktivlegitimation
3. Unzulässigkeit der Leistung
4. Rückforderungsanspruch ist spruchreif –
Erörterungspflicht
5. Wille des Mieters / Anspruchstellers
1. Verfahren nach § 37 (1) MRG:
Der Rückzahlungsanspruch muss sich auf ein Verfahren
nach § 37 (1) MRG beziehen, welches auf die Unzulässigkeit einer vom
Antragsgegner / Vermieter begehrten Leistung gerichtet ist. § 37 (1)
MRG lässt die Entscheidung über ein Zahlungsbegehren eines Mieters /
Antragstellers nur in den § 37 (1) Z 5, 13 MRG vor dem 2.
Wohnrechtsänderungsgesetz geregelten Angelegenheiten zu. In allen
anderen Angelegenheiten kann gemäß § 37 (4) MRG der Antragsgegner /
Vermieter nur dann zur Zahlung verhalten werden, wenn sich ein
Anspruch auf Rückforderung oder Ersatz in einem Verfahren nach § 37
(1) MRG ergibt (vgl. MietSlg 43.295 und 48.402). Ansprüche
beziehungsweise Leistungen, bei denen eine Feststellung nicht in das
Außerstreitverfahren verwiesen wird, keine
Rückzahlungsverpflichtungen ergeben sich bei Verfahren, in denen zum
Beispiel Höhe eines Aktivsaldos aus einer Betriebskostenabrechnung (vgl.
MietSlg 37.561) sowie solche Anträge, die keine
Rückforderungsansprüche ergeben, beispielsweise die abstrakte
Feststellung der Höhe des Hauptmietzinses oder die Qualifikation
einzelner Betriebskostenposten in einer Jahresabrechnung, wenn nicht
zugleich auch die Vorschreibung des Saldos bekämpft wird
(vgl. MietSlg 37.545, 38.569, 45.319, 46.488).
2. Aktivlegitimation:
Das Verfahren muss grundsätzlich von einem
rückforderungsberechtigten Mieter / Antragsteller eingeleitet worden
sein. § 37 (4) MRG sieht die Schaffung eines Titels für die
Rückzahlung gesetzwidrig eingehobener Mietzinse nur für Ansprüche
des antragstellenden Mieters vor. Nicht umfasst davon sind
Nachforderungen des Vermieters / Antragsgegners als Ausfluss des
Verfahrens nach § 37 (1) Z 8, 12a und 46a MRG (vgl. MietSlg
49.406). Aktivlegitimiert ist sohin ausschließlich jener Mieter
/ Antragsteller, der tatsächlich Überzahlungen geleistet hat und
rückforderungsberechtigt ist, sodass einem nur beigezogenen Mieter /
Antragsteller (vgl. MietSlg 37.545) oder einem Mieter /
Antragsteller im Falle eines Vermieterantrages (vgl. MietSlg
37.540) kein Rückzahlungsanspruch zusteht. Nach der Judikatur (vgl.
MietSlg 46.491) darf ein Rückforderungstitel dem Mieter /
Antragsteller zwar nicht aufgedrängt werden, setzt aber weder einen
formellen Antrag noch ein bestimmtes Begehren voraus. Durch den
Verweis von § 37 (4) MRG auf § 37 (1) MRG wird klargestellt, dass
sowohl die selbständige Geltendmachung eines
Rückforderungsanspruches als auch der Zuspruch in einem vom
Vermieter eingeleiteten Verfahren ausgeschlossen ist (vgl.
OGH 26.11.1991, 5 Ob 50/91).
3. Unzulässigkeit der Leistung:
Der Sachbeschluss muss in der Hauptsache zumindest
teilweise die Unzulässigkeit der Leistung des Antragstellers /
Mieters aussprechen, wobei keine Einreden / Gegeneinwendungen
seitens des Antragsgegners dem Anspruch entgegenstehen dürfen.
Voraussetzung ist also, dass bei Spruchreife der Entscheidung in der
Hauptsache der Rückforderungsanspruch feststeht, insbesondere dass
der unzulässige Mietzins bezahlt wurde sowie der Zeitpunkt der
Zahlung feststeht, aber auch der Vermieter / Antragsgegner der
Rückzahlung nicht andere Umstände entgegensetzen kann.
Aus der Judikatur ergeben sich folgende mögliche
Einwendungen:
Einwand
|
Judikatur
|
- Verjährungseinwand |
(vgl. MietSlg 41.415) |
- Betragsbeschränkte Haftung |
(vgl. MietSlg 50.860 bzw 50.862) |
- Mietzinsrückstände |
(Immolex 99/119) |
- Tatsächlich nicht bezahlter Mietzins
|
(vgl. MietSlg 48.427) |
- Mangels Feststellung des Zeitpunktes der
Zahlung auch kein Rückforderungsanspruch betreffend Zinsen
|
(vgl. MietSlg 37.543) |
- Mangelnde Aktivlegitimation |
(MietSlg 49.223) |
- Untergang des Rückforderungsanspruches durch
Kompensation mit einer Gegenforderung bzw. Aufrechnung
|
(vgl. MietSlg 41.413) |
- Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag als
Gegenforderung |
(vgl. MietSlg 52.481) |
4. Feststellen des Rückforderungsanspruches :
Bei Spruchreife des Hauptanspruches muss der
Rückforderungsanspruch ohne weiteres Verfahren (vgl. MietSlg
42.395) im Sinne der Prozessökonomie feststehen. Voraussetzung
dafür ist, dass das Rückzahlungsbegehren mit dem Antragsgegner
erörtert wurde (vgl. MietSlg 48.426 / Immolex 1997/109).
Unklarheiten, zum Beispiel auch mangelnde Erörterung, gehen zu
Lasten des Mieters / Antragstellers (vgl. MietSlg 41.412).
Das Gericht ist nicht verpflichtet, über das eigentliche Verfahren
nach § 37 (1) MRG hinaus, noch ein zusätzliches Verfahren über
Fragen durchzuführen, die sich lediglich auf den
Rückforderungsanspruch beziehen beziehungsweise wird die Erörterung
mit den Parteien unterlassen, so ergibt sich kein
Rückforderungsanspruch (vgl. MietSlg 43.347). Soweit diese
Unklarheiten nur einen Teil betreffen, hat der Ausspruch gemäß § 37
(4) MRG nur zweifelsfreie, unstrittige Ansprüche zu umfassen
(beispielsweise nicht verjährte Forderungen (vgl. MietSlg 41.412)
- oder zukünftige Zinsen (vgl. MietSlg 40.567)).
Die Erklärung eines Mieters / Antragstellers, im
Falle eines Zuspruches nach §37 (4) MRG den Verzugszinsenanspruch
auf 4% einzuschränken und die Unterlassung einer diesbezüglichen
Stellungnahme des Vermieters / Antragsgegners, ersetzt nicht die
Erörterung möglicher Hinderungsgründe (vgl. MietSlg 45.507).
Ein Verstoß gegen die Erörterungspflicht kann mit Rekurs geltend
gemacht werden, ohne gegen das Neuerungsverbot zu verstoßen (vgl.
MietSlg 42.395; 46.489).
Eine formelle Abweisung beziehungsweise
Rückverweisung eines diesbezüglichen Begehrens hat jedoch zu
unterbleiben (vgl. MietSlg 51.453 bzw. Immolex 2000/98). Die
Abweisung eines Begehrens auf Schaffung eines Rückforderungstitels
nach § 37 (4) MRG ist im Außerstreitverfahren ausgeschlossen (vgl.
MietSlg 38.570). Das Gesetz ordnet nämlich lediglich aus
prozessökonomischen Gründen – siehe oben – die positive Schaffung
eines Exekutionstitels an (vgl. MietSlg 44.571). Die fehlende
Abklärung der Unberührtheit des Rückforderungsanspruches in erster
Instanz ist ein Verfahrensmangel, der jedoch nicht zu einer
Aufhebung eines dennoch darüber ergangenen Zurückzahlungsausspruches
unter Zurückverweisung der Rechtssache zur Behebung des
Verfahrensmangels und neuerlichen Entscheidung in diesem Punkt
führt. Da die Behauptung einer Einrede (vgl. ImmZ 1987/264)
beziehungsweise kompensabler Gegenforderung (vgl. MietSlg 39.552),
welche als Rekursgrund (vgl. MietSlg 39.553) geltend gemacht
wird, bereits die Unstatthaftigkeit eines Anspruches über den
Rückforderungsanspruch ergibt (vgl. MietSlg 39.554).
Lediglich in der Begründung des Sachbeschlusses ist darzulegen, aus
welchen Gründen von einem Leistungsbefehl nach § 37 (4) MRG Abstand
genommen wurde (vgl. MietSlg 49.441).
5. Wille des Mieters / Antragstellers:
Ein Zuspruch des Außerstreitgerichtes hat jedoch mit
Willen des Mieters / Antragstellers zu erfolgen, auch wenn es keiner
formellen Antragstellung bedarf (vgl. MietSlg 34.517).
Hinsichtlich der in einer solchen Rückzahlungsanregung genannten
Zeiträume tritt weder eine Bindungs- noch eine Rechtskraftwirkung
ein (vgl. Würth-Zinger, 20.Auflage, Rz 73 zu § 37 MRG).
Exkurs: Verjährung:
Das Schlichtungsstellenverfahren ist nach der in § 39
(1) AVG vorgesehenen Ausnahme ein antragsbedürftiges Verfahren, in
dem die Behörde in ihrer Entscheidungsbefugnis an den zugrunde
liegenden Antrag gebunden ist. Die Behörde ist aber auch bei
ausschließlichen Antragsverfahren auf die Amtswegigkeit in der
Fortführung des Verfahrens nicht gehindert. Die Disposition der
Parteien bezieht sich nur auf die Einleitung und den Gegenstand des
Verfahrens, nicht aber auf die weitere Durchführung, die im
Amtsbetrieb selbst liegt. Demnach ist die Einrede der Verjährung
kein Antrag, sondern eine Einwendung der Partei an die Behörde, ihre
amtswegigen Aufgaben wahrzunehmen, vergleichbar mit den Einwendungen
der Nachbarn im Betriebsanlagenverfahren. Das Nichtvorbringen der
Verjährung in der nach § 37 (3) Z 12 MRG anberaumten Verhandlung
löst keine Präklusionsfolgen nach § 42 AVG aus (vgl. ImmZ
1993/375f), sodass die Schlichtungsstelle auch in jenen Fällen,
in denen sich der Vermieter / Antragsgegner nicht auf die Verjährung
beruft, nach oben angeführter Ansicht das Recht und die Pflicht hat,
von Amts wegen die Verjährung und, soweit es aus der Aktenlage
ersichtlich ist, auch Gründe für die Hemmung und Unterbrechung der
Verjährung zu beurteilen.
Bindungswirkung:
Wird ein Rückforderungsanspruch verneint, enthält der
Spruch nur die Entscheidung in der Hauptsache. In der Begründung ist
festzuhalten, aus welchen Gründen von einem Titel in Sinne des § 37
(4) MRG Abstand genommen wurde (vgl. MietSlg 37.544). Für
einen Rechtsstreit – ob dieser nun gemäß § 41 MRG unterbrochen war,
oder erst anhängig gemacht wurde – besteht eine Bindung nur an die
Entscheidung in der Hauptsache, nicht aber an die Gründe, die zum
Unterbleiben des Anspruches nach § 37 (4) MRG geführt haben. Bei
teilweisem Zuspruch tritt hinsichtlich des zuerkannten Betrages die
Rechtskraft ein, sodass ein unterbrochener Prozess um diesen Betrag
einzuschränken ist, um nicht gegen die Bestimmung des § 411 ZPO zu
verstoßen.
Unzulässigkeit eines Ausspruches nach § 37 (4) MRG:
Bei Überprüfung des Antrages ist aus Vermieter- /
Antragsgegnersicht zunächst der Gegenstand des Antrages dahingehend
zu kontrollieren, auf welche Punkte sich das Begehren des Mieters /
Antragstellers richtet, wobei die Überprüfung einzelner Positionen
einer Betriebskostenabrechnung grundsätzlich keinen
Rückforderungstitel schafft (vgl. MietSlg 40.568). Richtet sich der
Antrag beispielsweise nur gegen eine Position der Betriebskosten,
nicht aber auch gegen die Vorschreibung eines sich aus dieser
Abrechnung ergebenden Saldos, kommt ein Anspruch mangels Vorliegen
der Voraussetzungen des § 37 (1) MRG nicht in Betracht (vgl.
MietSlg 37.545 insbesondere 46.488). Dass bei der Antragstellung
nicht nur die Feststellung des zulässigen Mietzinses, sondern
ausdrücklich auch das Ausmaß der Überschreitung des gesetzlich
zulässigen Mietzinses zu beantragen sei, ist dem Wortlaut des § 37
(4) MRG nicht zu entnehmen (vgl. Würth in HdB des Mietrechts 5
09 sowie MietSlg 48.426).
Ebenso ist bei Überprüfung bestimmter
Abrechnungsposten einer Betriebskostenabrechnung die Schaffung eines
Rückforderungstitels von vornherein ausgeschlossen, weil durch die
Unkorrektheit der Abrechnung – nach der Rechtsprechung - noch nicht
zwingend gesagt ist, dass tatsächlich der überhöht ausgewiesene
Fehlbetrag zum übernächsten Zinstermin nach Legung der Abrechnung
vorgeschrieben wurde, und auch nicht klar ist, ob sich überhaupt ein
Anspruch des Mieters / Antragstellers auf Rückforderung ergibt, weil
dieser voraussetzt, dass der Mieter / Antragsteller vollständig die
Pauschalraten des vorangegangenen Kalenderjahres entrichtet hat.
Diese Umstände sind aber nicht Gegenstand der Überprüfung einzelner
Positionen der Betriebskostenabrechnung (vgl. MietSlg 40.568 bzw
46.490), sodass ein Rückzahlungstitel nicht entstehen kann.
Einem Rückzahlungsanspruch aus dem Titel überhöhter
Mietzinszahlung steht nach der Judikatur auch der Umstand entgegen,
dass nicht feststeht, wie hoch der im bezahlten Pauschalmietzins
enthaltene Betriebskostenanteil war. Ein Verfahren gemäß § 37 (1) Z
8 MRG betreffend Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten
Pauschalmietzinses schafft sohin keinen Rückzahlungstitel, solange
nur die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses feststeht, die übrigen
Mietzinsbestandteile aber ungeklärt sind (vgl. MietSlg 51.452
bzw. 50.513).
Resümee:
Die Bedeutung der Bestimmung des § 37 (4) MRG liegt
in der für den Mieter / Antragsteller in der Senkung des
Prozesskostenrisikos. Derzeit ist außer im Fall der mutwilligen
Prozessführung (vgl. dazu Lindinger in Immolex 2003, Seite 105ff)
kein Prozesskostenrisiko vorhanden. Der Vermieter / Antragsgegner
hat die Möglichkeit, durch Einwendung kompensabler Gegenforderungen
einen Exekutionstitel zunächst im Außerstreitverfahren zu
verhindern. Bei Führung des Prozesses ist jedoch vom Vermieter
/ Antragsgegner die Bestimmung des § 1111 ABGB zu beachten, um
nicht unliebsame Überraschungen in Folgeprozessen zu erleben.
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Dr. Eike Lindinger
Rechtsanwalt |
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