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Rechtsfreund.at bietet in dieser Kategorie Aufsätze von renommierten Juristen zum Miet- und Wohnrecht (insbesondere auch zu prozessualen Aspekten).

Dr. Eike Lindinger, Anspruchsvernichtende Einwendungen

 

DIE KOMPENSABLE GEGENFORDERUNG

 

ANSPRUCHSVERNICHTENDE EINWENDUNGEN

 

Einleitung:

Unter bestimmten Voraussetzungen normiert § 37(4) MRG eine aus prozessökonomischen Erwägungen getragene Möglichkeit der Ausweitung des Außerstreitverfahrens zur Schaffung eines Rückzahlungstitels im Sinne des § 1 EO (vgl. MietSlg 37.541).

 

Dem Anspruch nach § 37 (4) MRG liegt kein selbständiges Leistungsbegehren zu Grunde, sondern handelt es sich dabei um einen verfahrensrechtlichen Annex zu dem erhobenen Feststellungsbegehren, über welches nicht selbständig zu entscheiden ist. Ergibt sich keine Überbezahlung, so hat es zu keiner Abweisung des "Leistungsbegehrens" zu kommen (vgl. MietSlg 45.508).

 

Ein Begehren eines Antragstellers ist nur als Anregung an das Gericht zu verstehen, anlässlich der Feststellung des zulässigen Hauptmietzinses von der in § 37 (4) MRG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und für die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Überschreitungsbeträge von Amts wegen einen Rückzahlungstitel zu schaffen.

 

Grundsätzlich muss:

  • auf Feststellung und nicht selbst auf Leistung gerichtet sein,

  • und vom Mieter als Antragsteller eingeleitet werden.

 

Im Sachbeschluss muss:

  • in der Hauptsache (wenigstens zum Teil) die teilweise Unzulässigkeit der Leistung des Mieters / Antragstellers feststehen,

  • der Rückforderungsanspruch spruchreif sein, sodass ein weiteres Verfahren ausgeschlossen ist,

  • der Zuspruch muss mit Willen des Mieters / Antragstellers erfolgen, auch wenn keine formelle Antragstellung erforderlich ist.

 

Liegen die Voraussetzungen, auf die unten noch näher einzugehen ist, nicht vor, hat die Schaffung eines Rückzahlungstitels zu unterbleiben, ohne dass es zu einer Abweisung des Rückzahlungsbegehrens kommt. Daneben besteht die Möglichkeit, auch im streitigen Verfahren diesen Anspruch geltend zu machen (vgl. MietSlg 34.348). Für eine selbständige Rückforderung zu viel bezahlter Mietzinse steht nur der streitige Rechtsweg zur Verfügung (vgl. OGH 16.01.1996, 5 Ob 149/95).

 

Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 37 (4) MRG:

Dem Gesetzeswortlaut folgend haben sich aus der Judikatur im Wesentlichen fünf zwingende Voraussetzungen für einen Anspruch im Sinne des § 37 (4) MRG entwickelt. Die einzelnen Voraussetzungen, welche nachstehend detailliert besprochen werden, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Verfahren nach § 37 (1) MRG

2. Aktivlegitimation

3. Unzulässigkeit der Leistung

4. Rückforderungsanspruch ist spruchreif – Erörterungspflicht

5. Wille des Mieters / Anspruchstellers

 

1. Verfahren nach § 37 (1) MRG:

Der Rückzahlungsanspruch muss sich auf ein Verfahren nach § 37 (1) MRG beziehen, welches auf die Unzulässigkeit einer vom Antragsgegner / Vermieter begehrten Leistung gerichtet ist. § 37 (1) MRG lässt die Entscheidung über ein Zahlungsbegehren eines Mieters / Antragstellers nur in den § 37 (1) Z 5, 13 MRG vor dem 2. Wohnrechtsänderungsgesetz geregelten Angelegenheiten zu. In allen anderen Angelegenheiten kann gemäß § 37 (4) MRG der Antragsgegner / Vermieter nur dann zur Zahlung verhalten werden, wenn sich ein Anspruch auf Rückforderung oder Ersatz in einem Verfahren nach § 37 (1) MRG ergibt (vgl. MietSlg 43.295 und 48.402). Ansprüche beziehungsweise Leistungen, bei denen eine Feststellung nicht in das Außerstreitverfahren verwiesen wird, keine Rückzahlungsverpflichtungen ergeben sich bei Verfahren, in denen zum Beispiel Höhe eines Aktivsaldos aus einer Betriebskostenabrechnung (vgl. MietSlg 37.561) sowie solche Anträge, die keine Rückforderungsansprüche ergeben, beispielsweise die abstrakte Feststellung der Höhe des Hauptmietzinses oder die Qualifikation einzelner Betriebskostenposten in einer Jahresabrechnung, wenn nicht zugleich auch die Vorschreibung des Saldos bekämpft wird

(vgl. MietSlg 37.545, 38.569, 45.319, 46.488).

 

2. Aktivlegitimation:

Das Verfahren muss grundsätzlich von einem rückforderungsberechtigten Mieter / Antragsteller eingeleitet worden sein. § 37 (4) MRG sieht die Schaffung eines Titels für die Rückzahlung gesetzwidrig eingehobener Mietzinse nur für Ansprüche des antragstellenden Mieters vor. Nicht umfasst davon sind Nachforderungen des Vermieters / Antragsgegners als Ausfluss des Verfahrens nach § 37 (1) Z 8, 12a und 46a MRG (vgl. MietSlg 49.406). Aktivlegitimiert ist sohin ausschließlich jener Mieter / Antragsteller, der tatsächlich Überzahlungen geleistet hat und rückforderungsberechtigt ist, sodass einem nur beigezogenen Mieter / Antragsteller (vgl. MietSlg 37.545) oder einem Mieter / Antragsteller im Falle eines Vermieterantrages (vgl. MietSlg 37.540) kein Rückzahlungsanspruch zusteht. Nach der Judikatur (vgl. MietSlg 46.491) darf ein Rückforderungstitel dem Mieter / Antragsteller zwar nicht aufgedrängt werden, setzt aber weder einen formellen Antrag noch ein bestimmtes Begehren voraus. Durch den Verweis von § 37 (4) MRG auf § 37 (1) MRG wird klargestellt, dass sowohl die selbständige Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches als auch der Zuspruch in einem  vom Vermieter  eingeleiteten  Verfahren  ausgeschlossen ist (vgl.  OGH 26.11.1991, 5 Ob 50/91).

 

3. Unzulässigkeit der Leistung:

Der Sachbeschluss muss in der Hauptsache zumindest teilweise die Unzulässigkeit der Leistung des Antragstellers / Mieters aussprechen, wobei keine Einreden / Gegeneinwendungen seitens des Antragsgegners dem Anspruch entgegenstehen dürfen. Voraussetzung ist also, dass bei Spruchreife der Entscheidung in der Hauptsache der Rückforderungsanspruch feststeht, insbesondere dass der unzulässige Mietzins bezahlt wurde sowie der Zeitpunkt der Zahlung feststeht, aber auch der Vermieter / Antragsgegner der Rückzahlung nicht andere Umstände entgegensetzen kann.

 

Aus der Judikatur ergeben sich folgende mögliche Einwendungen:

 

Einwand

Judikatur

- Verjährungseinwand

(vgl. MietSlg 41.415)

- Betragsbeschränkte Haftung

(vgl. MietSlg 50.860 bzw 50.862)

- Mietzinsrückstände

(Immolex 99/119)

- Tatsächlich nicht bezahlter Mietzins

(vgl. MietSlg 48.427)

- Mangels Feststellung des Zeitpunktes der Zahlung auch   kein Rückforderungsanspruch betreffend Zinsen

(vgl. MietSlg 37.543)

- Mangelnde Aktivlegitimation

(MietSlg 49.223)

- Untergang des Rückforderungsanspruches durch Kompensation mit einer Gegenforderung bzw. Aufrechnung

(vgl. MietSlg 41.413)

- Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag als Gegenforderung

(vgl. MietSlg 52.481)

 

4. Feststellen des Rückforderungsanspruches :

Bei Spruchreife des Hauptanspruches muss der Rückforderungsanspruch ohne weiteres Verfahren (vgl. MietSlg 42.395) im Sinne der Prozessökonomie feststehen. Voraussetzung dafür ist, dass das Rückzahlungsbegehren mit dem Antragsgegner erörtert wurde (vgl. MietSlg 48.426 / Immolex 1997/109). Unklarheiten, zum Beispiel auch mangelnde Erörterung, gehen zu Lasten des Mieters / Antragstellers (vgl. MietSlg 41.412). Das Gericht ist nicht verpflichtet, über das eigentliche Verfahren nach § 37 (1) MRG hinaus, noch ein zusätzliches Verfahren über Fragen durchzuführen, die sich lediglich auf den Rückforderungsanspruch beziehen beziehungsweise wird die Erörterung mit den Parteien unterlassen, so ergibt sich kein Rückforderungsanspruch (vgl. MietSlg 43.347). Soweit diese Unklarheiten nur einen Teil betreffen, hat der Ausspruch gemäß § 37 (4) MRG nur zweifelsfreie, unstrittige Ansprüche zu umfassen  (beispielsweise nicht verjährte Forderungen (vgl. MietSlg 41.412) - oder zukünftige Zinsen (vgl. MietSlg 40.567)).

 

Die Erklärung eines Mieters / Antragstellers, im Falle eines Zuspruches nach §37 (4) MRG den Verzugszinsenanspruch auf 4% einzuschränken und die Unterlassung einer diesbezüglichen Stellungnahme des Vermieters / Antragsgegners, ersetzt nicht die Erörterung möglicher Hinderungsgründe (vgl. MietSlg 45.507). Ein Verstoß gegen die Erörterungspflicht kann mit Rekurs geltend gemacht werden, ohne gegen das Neuerungsverbot zu verstoßen (vgl. MietSlg 42.395; 46.489).

Eine formelle Abweisung beziehungsweise Rückverweisung eines diesbezüglichen Begehrens hat jedoch zu unterbleiben (vgl. MietSlg 51.453 bzw. Immolex 2000/98). Die Abweisung eines Begehrens auf Schaffung eines Rückforderungstitels nach § 37 (4) MRG ist im Außerstreitverfahren ausgeschlossen (vgl. MietSlg 38.570). Das Gesetz ordnet  nämlich lediglich aus prozessökonomischen Gründen – siehe oben – die positive Schaffung eines Exekutionstitels an (vgl. MietSlg 44.571). Die fehlende Abklärung der Unberührtheit des Rückforderungsanspruches in erster Instanz ist ein Verfahrensmangel, der jedoch nicht zu einer Aufhebung eines dennoch darüber ergangenen Zurückzahlungsausspruches unter Zurückverweisung der Rechtssache zur Behebung des Verfahrensmangels und neuerlichen Entscheidung in diesem Punkt führt. Da die Behauptung einer Einrede (vgl. ImmZ 1987/264) beziehungsweise kompensabler Gegenforderung (vgl. MietSlg 39.552), welche als Rekursgrund (vgl. MietSlg 39.553) geltend gemacht wird, bereits die Unstatthaftigkeit eines Anspruches über den Rückforderungsanspruch ergibt (vgl. MietSlg 39.554). Lediglich in der Begründung des Sachbeschlusses ist darzulegen, aus welchen Gründen von einem Leistungsbefehl nach § 37 (4) MRG Abstand genommen wurde (vgl. MietSlg 49.441).

 

5. Wille des Mieters / Antragstellers:

Ein Zuspruch des Außerstreitgerichtes hat jedoch mit Willen des Mieters / Antragstellers zu erfolgen, auch wenn es keiner formellen Antragstellung bedarf (vgl. MietSlg 34.517). Hinsichtlich der in einer solchen Rückzahlungsanregung genannten Zeiträume tritt weder eine Bindungs- noch eine Rechtskraftwirkung ein (vgl. Würth-Zinger, 20.Auflage, Rz 73 zu § 37 MRG).

 

 

Exkurs: Verjährung:

Das Schlichtungsstellenverfahren ist nach der in § 39 (1) AVG vorgesehenen Ausnahme ein antragsbedürftiges Verfahren, in dem die Behörde in ihrer Entscheidungsbefugnis an den zugrunde liegenden Antrag gebunden ist. Die Behörde ist aber auch bei ausschließlichen Antragsverfahren auf die Amtswegigkeit in der Fortführung des Verfahrens nicht gehindert. Die Disposition der Parteien bezieht sich nur auf die Einleitung und den Gegenstand des Verfahrens, nicht aber auf die weitere Durchführung, die im Amtsbetrieb selbst liegt. Demnach ist die Einrede der Verjährung kein Antrag, sondern eine Einwendung der Partei an die Behörde, ihre amtswegigen Aufgaben wahrzunehmen, vergleichbar mit den Einwendungen der Nachbarn im Betriebsanlagenverfahren. Das Nichtvorbringen der Verjährung in der nach § 37 (3) Z 12 MRG anberaumten Verhandlung löst keine Präklusionsfolgen nach § 42 AVG aus (vgl. ImmZ 1993/375f), sodass die Schlichtungsstelle auch in jenen Fällen, in denen sich der Vermieter / Antragsgegner nicht auf die Verjährung beruft, nach oben angeführter Ansicht das Recht und die Pflicht hat, von Amts wegen die Verjährung und, soweit es aus der Aktenlage ersichtlich ist, auch Gründe für die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung zu beurteilen.

 

Bindungswirkung:

Wird ein Rückforderungsanspruch verneint, enthält der Spruch nur die Entscheidung in der Hauptsache. In der Begründung ist festzuhalten, aus welchen Gründen von einem Titel in Sinne des § 37 (4) MRG Abstand genommen wurde (vgl. MietSlg 37.544). Für einen Rechtsstreit – ob dieser nun gemäß § 41 MRG unterbrochen war, oder erst anhängig gemacht wurde – besteht eine Bindung nur an die Entscheidung in der Hauptsache, nicht aber an die Gründe, die zum Unterbleiben des Anspruches nach § 37 (4) MRG geführt haben. Bei teilweisem Zuspruch tritt hinsichtlich des zuerkannten Betrages die Rechtskraft ein, sodass ein unterbrochener Prozess um diesen Betrag einzuschränken ist, um nicht gegen die Bestimmung des § 411 ZPO zu verstoßen.

 

Unzulässigkeit eines Ausspruches nach § 37 (4) MRG:

Bei Überprüfung des Antrages ist aus Vermieter- / Antragsgegnersicht zunächst der Gegenstand des Antrages dahingehend zu kontrollieren, auf welche Punkte sich das Begehren des Mieters / Antragstellers richtet, wobei die Überprüfung einzelner Positionen einer Betriebskostenabrechnung grundsätzlich keinen Rückforderungstitel schafft (vgl. MietSlg 40.568). Richtet sich der Antrag beispielsweise nur gegen eine Position der Betriebskosten, nicht aber auch gegen die Vorschreibung eines sich aus dieser Abrechnung ergebenden Saldos, kommt ein Anspruch mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 (1) MRG nicht in Betracht (vgl. MietSlg 37.545 insbesondere 46.488). Dass bei der Antragstellung nicht nur die Feststellung des zulässigen Mietzinses, sondern ausdrücklich auch das Ausmaß der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Mietzinses zu beantragen sei, ist dem Wortlaut des § 37 (4) MRG  nicht zu entnehmen  (vgl. Würth in HdB des Mietrechts 5 09 sowie MietSlg 48.426).

 

Ebenso ist bei Überprüfung bestimmter Abrechnungsposten einer Betriebskostenabrechnung die Schaffung eines Rückforderungstitels von vornherein ausgeschlossen, weil durch die Unkorrektheit der Abrechnung – nach der Rechtsprechung - noch nicht zwingend gesagt ist, dass tatsächlich der überhöht ausgewiesene Fehlbetrag zum übernächsten Zinstermin nach Legung der Abrechnung vorgeschrieben wurde, und auch nicht klar ist, ob sich überhaupt ein Anspruch des Mieters / Antragstellers auf Rückforderung ergibt, weil dieser voraussetzt, dass der Mieter / Antragsteller vollständig die Pauschalraten des vorangegangenen Kalenderjahres entrichtet hat. Diese Umstände sind aber nicht Gegenstand der Überprüfung einzelner Positionen der Betriebskostenabrechnung (vgl. MietSlg 40.568 bzw 46.490), sodass ein Rückzahlungstitel nicht entstehen kann.

 

Einem Rückzahlungsanspruch aus dem Titel überhöhter Mietzinszahlung steht nach der Judikatur auch der Umstand entgegen, dass nicht feststeht, wie hoch der im bezahlten Pauschalmietzins enthaltene Betriebskostenanteil war. Ein Verfahren gemäß § 37 (1) Z 8 MRG betreffend Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Pauschalmietzinses schafft sohin keinen Rückzahlungstitel, solange nur die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses feststeht, die übrigen Mietzinsbestandteile aber ungeklärt sind (vgl. MietSlg 51.452 bzw. 50.513).

 

Resümee:

Die Bedeutung der Bestimmung des § 37 (4) MRG liegt in der für den Mieter / Antragsteller in der Senkung des Prozesskostenrisikos. Derzeit ist außer im Fall der mutwilligen Prozessführung (vgl. dazu Lindinger in Immolex 2003, Seite 105ff) kein Prozesskostenrisiko vorhanden. Der Vermieter / Antragsgegner hat die Möglichkeit, durch Einwendung kompensabler Gegenforderungen einen Exekutionstitel zunächst im Außerstreitverfahren zu verhindern. Bei Führung  des  Prozesses  ist  jedoch  vom  Vermieter / Antragsgegner  die Bestimmung des § 1111 ABGB zu beachten, um nicht unliebsame Überraschungen in Folgeprozessen zu erleben.

Dr. Eike Lindinger

Rechtsanwalt

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